Adeh, Covic und Co. - Was können wir von Werders Talenten erwarten?
- tfoerster90
- Jun 11
- 7 min read
Werders U19 hat eine historisch gute Saison hinter sich. Das Team um Trainer Cédric Makiadi hat nicht nur den DFB-Pokal der Junioren gewonnen, sondern war auch im Halbfinale um die Deutsche A-Junioren Meisterschaft. Hier musste man sich zwar im Elfmeterschießen der Mannschaft des 1.FC Köln, die später den Wettbewerb gewinnen sollte, geschlagen geben, war aber über 120 Minuten das bessere Team mit den klareren Chancen, obwohl man schon beide KO-Runden vorher jeweils in Verlängerung und Elfmeterschießen gehen musste. Im Viertelfinale gegen Gladbach war man ab der 56. Minute in Unterzahl. Trotzdem gelang das Weiterkommen im Elfmeterschießen. Die Truppe hat Talent und die richtige Mentalität - Eine Kombination, die wichtig ist, wenn sich die Spieler nun auch im Profifußball durchsetzen wollen.
Ein Disclaimer am Anfang: Nur etwa 3,5-5% aller U19-Spieler aus den Jugendabteilungen der deutschen Fußballclubs schaffen den Durchbruch im Profifußball - Die Wahrscheinlichkeit, dass sich einer oder gar mehrere Talente in den Profimannschaften durchsetzen, ist sehr gering. Der letzte DFB-Juniorenpokalsieger bei dem sich (bisher) auffallend viele Spieler im Profifußball durchgesetzt haben war Freiburg 2017/2018. Dort standen unter anderem Noah Atubolu (aktuell Freiburg), Claudio Kammerknecht (Dynamo Dresden), Nico Schlotterbeck (Dortmund), Maximilian Dietz (Fürth), Philipp Treu (St. Pauli), Yannik Keitel (Stuttgart), Lino Tempelmann (Braunschweig/Schalke), Carlo Boukhalfa (St. Pauli) und Noah Weishaupt (St. Pauli / Freiburg) im Kader - das allerdings die abolute Ausnahme und ehrlicherweise eine ziemlich absurde Quote von Spielern, die es tatsächlich in den Profifußball geschafft haben. Davon ist also nicht auszugehen. Ein guter Schritt in die richtige Richtung ist allerdings, dass Werder vielen Spielern eine Chance gibt sich bei den Profis oder bei der U23 in der nächsten Saison zu beweisen und auf die Entwicklung der Spieler vertraut.
Am letzten Donnerstag gab Werder bekannt, dass Sechs Spieler aus diesem erfolgreichen Jahrgang nun die Vorbereitung auf die nächste Saison unter Horst Steffen mit den Profis absolvieren dürfen: Stefan Smarkalev, Mick Schmetgens, Karim Coulibaly, Wesley Adeh, Patrice Covic und Salim Musah Da ich in der letzten Saison alle verfügbaren U19-Übertragungen über 90 (..oder in den meisten Fällen 120) Minuten geschaut habe, möchte ich im Folgenden Key Facts und kurze Einschätzungen zu Stärken und Entwicklungspotentialen der einzelnen Spieler geben.
Stefan Smarkalev
Position: Torhüter
Alter: 18 Jahre (14.05.2007)
Größe: 188 cm
Starker Fuß: Rechts
Stefan Smarkalev ist der erste von Drei Spielern in dieser Liste, die letztes Jahr extern von Werder dazugeholt wurden. Für Smarkalev wurde sogar eine kleine sechstellige Transfersumme bezahlt, um ihn von Botev Plovdiv an die Weser zu holen. Dort spielte er zuvor bereits 12 Spiele im Herrenbereich in der zweiten bulgarischen Spielklasse.
Smarkalev ist ein sehr kompletter, moderner Torhüter. Er ist gut in allen "klassischen" Torhüterdisziplinen: Souverän auf der Linie, gut in der Strafraumkontrolle und im 1-gegen-1. Eine große Stärke von Smarkalev ist sicher das Spiel mit dem Ball am Fuß. Er trägt immer wieder zum Spiel bei, kann auch gut mit den Verteidigern eine Torhüter-Kette bilden und so Optionen im Spielaufbau anbieten. Er ist auch in der Lage präzise flache und hohe Bälle zu spielen. Gern spielte er lange Bälle ins Angriffsdrittel, um das Spiel schnell zu machen.
Was ihn zusätzlich auszeichnet und gerade in den KO-Spielen im Saisonendspurt ausgezeichnet hat, ist seine Mentalität. Dahingehend errinnert er wirklich an die "verrückten" Torhüter alter Schule. Ihm war stets sein unbändiger Ehrgeiz anzumerken - gerade in dem zahlreichen Elfmeterschießen hat man mitbekommen, wie er versucht hat seine Gegner durch Provokation nervös zu machen. In den entscheidenden Spielen hat er sich auch immer den ersten Elfmeter selbst genommen und stets verwandelt. Das zeigt sein Selbstvertrauen und seine Nervenstärke.
In seinem Ehrgeiz liegt auch sein Entwicklungspotential. Er wirkt gerade beim Herauslaufen und in Strafraumsituationen mit viel Getümmel im Sechzehner oft übermotiviert - dadurch sind seine Aktionen ab und zu unkontrolliert. Hier muss er noch das richtige Timing lernen und gegebenenfalls auch noch seinen Vorderleuten mehr vertrauen, anstatt alles selbst lösen zu wollen.
Karim Coulibaly
Position: Innenverteidiger
Alter: 18 Jahre (23.05.2007)
Größe: 191 cm
Starker Fuß: Links
Karim Coulibaly kam letztes Jahr aus Hamburg an die Weser. Seine Verpflichtung war mit einigen Nebengeräuschen verbunden. So reiste der damalige U17-Nationalspieler, der wohl auch von internationalen Topclubs umworben wurde, mit dem Hubschrauber zur Vertragsunterschrift an.
Warum Werder und andere Clubs Coulibaly unbedingt wollten, war aber schnell zu sehen. Im Verbund mit Mick Schmetgens spielte er eine herausragende Saison und war ein entscheidender Faktor in einem sehr stabilen Abwehrverbund. Coulibaly spielt für einen Innenverteidiger sehr auffällig - deutlich auffälliger als sein Pendant Schmetgens. Immer wieder trägt er den Ball ins Mittelfeld, versucht auch hin und wieder an Gegenspielern vorbeizugehen und hat auch das Tempo diesen den Ball mal abzulaufen, wenn ein Dribbling schief geht. Sein Spielaufbau aus der Innenverteidigung heraus ist ebenfalls sehr mutig. Er spielt gerne Pässe durchs Zentrum, direkt in den Druck in das Mittelfeld. Interessant bei Coulibaly im Hinblick auf die Perspektive Profikader ist natürlich, dass sein Profil wie gebaut für Steffens Fußball ist. Sollten wir noch mit einer Dreierkette auflaufen halte ich es nicht für ausgeschlossen, dass Coulibaly hier als linker Innenverteidiger in der nächsten Saison schon einige Minuten in der Bundesliga sammelt.
Sein größtes Entwicklungspotential resultiert dabei aus seiner Stärke. Sein mutiges Spiel ist doch noch sehr anfällig für Fehler. Hin und wieder verdribbelt er sich oder spielt den Ball direkt in die Füße des Gegners. In der U19 war er hier noch in der Lage dies mit seinem unheimlich guten physischen Paket aus Tempo und Größe wieder wettzumachen, in der Bundesliga wird das aber nicht so einfach.
Mick Schmetgens
Position: Innenverteidiger
Alter: 17 Jahre (09.09.2007)
Größe: 190 cm
Starker Fuß: Rechts
Der 17-jährige Mick Schmetgens aus Buxtehude ist bereits seit 2021 im Verein. In der vergangenen Saison stand Schmetgens in München bereits im Spieltagskader der Profimannschaft.
Neben Coulibaly wirkt er häufig recht unauffällig, aber diese Unauffälligkeit ist auch seine große Stärke. Während Coulibaly oft mutig und risikoreich spielt, wirkt Schmetgens Spiel sehr solide und reif. Als Zuschauer nimmt man ihn häufig gar nicht richtig war, weil er wenig großen Szenen hat. Er spielt für sein Alter sehr unaufgeregt und abgeklärt.
Aufgrund dessen fällt es mir bei ihm auch enorm schwer Entwicklungspotentiale, die es zweifelsohne geben wird, zu identifizieren. Sein Tempo und seine Spieleröffnung könnte man sicher anbringen. Gerade die Spieleröffnung hat auch oft Coulibaly in die Hand genommen.
Wesley Adeh
Position: Zentrales Mittelfeld / Defensives Mittelfeld
Alter: 18 Jahre (08.01.2007)
Größe: 187 cm
Starker Fuß: Beide
Bei keinem Talent dieser U19-Truppe werde ich den Weg so gespannt verfolgen, wie bei Wesley Adeh. Adeh war in der letzten Saison der dominante Dreh- und Angelpunkt im Bremer Mittelfeld. Er agiert nominell als Sechser neben Lennart Baum, aber im Spiel ist er überall auf dem Platz zu finden. Trotz seiner beeindruckenden Physis ist er technisch enorm weit. Oft löst er sich durch kluges Aufdrehen aus dem gegnerischen Pressing und ist in der Lage den Ball in Richtung des gegnerischen Strafraums zu tragen oder einen klugen Pass zu spielen. Er war DER Regisseur im Bremer Spiel.
Zusätzlich strahlt er unheimliche Torgefahr aus. In 24 Spielen in der Abgelaufenen Saison erzielte er 7 Tore und verbuchte zusätzlich 3 Asissts. Auch gegen den Ball ist er immer präsent und ist sich für keinen Weg zu schade.
Auf dem Platz wirkt er auch schon wie ein richtiger Kapitän: Er treibt seine Mitspieler an und motiviert sie. Wenn ein Fehler oder ein Gegentor unterläuft, ist er der erste der da ist um seine Mitspieler wieder aufzubauen. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass Werder ihn mittel- bis langfristig hinter Stage für diese Box-to-Box Rolle aufbauen möchte, falls dieser in diesem Sommer bleibt.
Entwicklungspotentiale hat natürlich aber auch Adeh: So braucht er manchmal im Umschaltspiel zu viele Kontakte. Dies wird in der Bundesliga so nicht funktionieren. Seine Tendenz sich immer Richtung Ball zu orientieren kann auf Bundesliganiveau auch ein Problem sein. Seine Laufwege gegen den Ball müssen noch klüger und überlegter werden. Zusätzlich muss er noch lernen seine überragende Physis im Zweikampf auch mit genug Konsequenz und Biss einzusetzen.
Patrice Covic
Position: Offensives Mittelfeld
Alter: 17 Jahre (25.06.2007)
Größe: 182 cm
Starker Fuß: Rechts
Patrice Covic kam letzten Sommer von der Hertha zu Werder und ist der Sohn des ehemaligen Bundesligaspielers Ante Covic. Er nimmt bereits seit Winter regelmäßig am Training der Profis teil und war auch schon hin und wieder im Spieltagskader der Ersten Mannschaft.
In der abgelaufenen Saison steuerte er in allen Wettbewerben 18 Scorer (14 Tore und 4 Vorlagen) zum Erfolg der U19 bei und war damit hinter Musah der zweitbeste Scorer der Mannschaft. Covic vereint Kreativität und Dribbelstärke mit einem beeindruckenden Torriecher. Er reißt das Offensivspiel häufig an sich, leitet Angriffe ein und macht dann kluge Läufe in den Strafraum. Dies war auch im Pokalfinale zu sehen als er in der 114. Minute noch einen späten Lauf in die gegnerische Box macht und eine Hereingabe über die Linie drückt.
Er klebt auch nicht im Zentrum des Feldes, sondern holt sich den Ball sehr oft in den Halbräumen oder kommt tief, um das Kombinationsspiel mit seinen Mitspielern aufzuziehen.
Natürlich hat auch Covic noch Themen, an denen er dringend arbeiten muss. Seine vorhandene Physis und Größe nutzt er noch nicht optimal. Mit 1,82m ist er kein kleiner Spieler. Dies muss er im 1-gegen-1 noch besser nutzen. Zusätzlich muss er an seiner Entscheidungsfindung in Drucksituationen arbeiten und seine Rückwärtsbewegung nach Ballverlusten verbessern.
Salim Musah
Position: Stürmer
Alter: 19 Jahre (22.02.2006)
Größe: 198 cm
Starker Fuß: Rechts
Salim Musah war mit 20 Toren und 2 Vorlagen der beste Torschütze und Scorer der abgelaufenen U19-Runde. Mit fast zwei Metern Größe ist Musah eine beeindruckende Figur auf dem Platz. Er agiert als Zielspieler in der Offensive, der den Ball abschirmt und auf die nachrückenden Mitspieler ablegt. Trotz seiner Größe und seinen oft hölzern wirkenden Bewegungsabläufen hat er Momente, in denen er seine starken technischen Fähigkeiten gerade auf engen Raum aufblitzen lässt. Mit dem Rücken zum Tor ist er sehr gut. Zusätzlich kann er Gegner durch kluge Bewegungen in die Irre zu führen und sich so in aussichtsreiche Schusspositionen zu bringen. Viele seiner Abschlüsse und Tore entstehen mit dem Fuß und innerhalb des Strafraums. Vom Profil her erinnert er an einen jüngeren Nick Woltemade mit etwas weniger technischen Anlagen, aber dafür mehr Torriecher und etwas mehr Kopfballstärke.
Das ist definitiv ein Feld in dem Musah noch besser werden kann. Er kommt in Kopfballsituationen, wirkt aber hier aufgrund seiner mangelnden Kopfballtechnik oft unglücklich. Zusätzlich muss er an seiner Entscheidungsfindung im Strafraum arbeiten. Er ist in der Lage sich in aussichtsreiche Positionen zu bringen, trifft hier aber oft die falsche Entscheidung und wählt oft den Abschluss, wo ein Abspiel besser wäre. Insgesamt muss er auch an Laufwegen und Tempo arbeiten. Er wird nie der schnellste Spieler sein, aber das muss er durch kluges Anbieten kompensieren. Hier hat er noch eine Menge Potential.
Insgesamt ist es schwer eine Prognose zu treffen, ob und wer sich im Profibereich durchsetzen kann. Die Anlagen dazu haben alle dieser Spieler. Ich wünsche mir, dass Werder einen klaren Plan hat und allen genug Zeit und Einsatzmöglichkeiten gibt, damit wir uns noch lange an ihnen erfreuen können.
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